Ein Hauch vergehender Romantik
25 Jahre Internationales Mühlenmuseum in Gifhorn
von Philipp Oppermann, Berlin

„Ein Hauch vergehender Romantik wird spürbar bei einem Besuch des ersten und einzigartigen Mühlenmuseums der Bundesrepublik.“

So beginnt die Einleitung eines 36 Seiten umfassenden Museumsführers, der im Frühjahr 1975 erschien und 25 maßstabsgetreue Mühlenmodelle vorstellt, die in faszinierender Weise ihrem jeweiligen originalgroßen Vorbild gleichen. Diese und weitere Mühlenmodelle entstanden in knapp zehnjähriger Fleißarbeit eines vom „Mühlen-Virus“ befallenen Mannes und bildeten den Grundstein für eine wohl weltweit einmalige Einrichtung: das Internationale Mühlenmuseum der Familie Wrobel.

Begonnen hatte alles im Jahr 1965. Der 1935 in Hindenburg (damals Oberschlesien) geborene Horst Wrobel unternahm von seinem Wohnort Braunschweig einen Ausflug zum nahen Elm, wo er im Dorf Abbenrode die Bockwindmühle des Müllers Erich Röhl entdeckte. Die Mühle, die noch voll in Betrieb war, faszinierte den damals dreißigjährigen Horst Wrobel derart, dass er sich ans Werk machte und ein maßstabgerechtes Modell erschuf. Als gelernter Designer und Werbegestalter fiel es ihm nicht schwer, eine kleine Nachbildung im Maßstab 1:25 zu fertigen, die in allen Einzelheiten dem großen Vorbild entsprach.

Die Abbenroder Mühle blieb nicht lange alleine. Angespornt vom Gelingen seines ersten Werkes, sammelte Horst Wrobel Informationen und Unterlagen über Mühlen aus vielen anderen Ländern der Welt und baute sie ebenso originalgetreu nach. Innerhalb weniger Jahre entstand damit eine einzigartige Modell-Sammlung. Gewerkelt wurde am heimischen Küchentisch, aber auch in der Bahn auf dem Weg zur Arbeit. Kleine Mühlenflügel drehten sich überall in der Wohnung, die Familie wurde vom „Mühlen-Fieber“ gepackt. Durch zahlreiche Medienberichte über sein ungewöhnliches Hobby kam es schon bald zu ersten Ausstellungen. Bei seinem Arbeitgeber, dem Kaufhaus Karstadt, präsentierte Horst Wrobel Mühlenmodelle als Schaufenster-Attraktion (übrigens auch im EXPO-Jahr 2000 noch einmal bei Karstadt in Hannover). Auch auf der Internationalen Gartenbauausstellung 1973 in Hamburg waren seine Mühlen zu sehen.

Mehr und mehr entstand der Wunsch, die wertvolle Sammlung von Mühlenmodellen in einer Dauerausstellung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So gründete die Familie Wrobel 1974 im Heideort Suhlendorf (Landkreis Uelzen) das Internationale Mühlenmuseum. Auf dem rund 2000 Quadratmeter großen Grundstück wurde mit Unterstützung von Landkreis und Gemeinde eine Ausstellungshalle errichtet, im April 1975 konnte die aus Alvesse (Nähe Braunschweig) stammende Bockwindmühle „Auguste“ auf dem Museumsgelände als „erstes Exemplar abrissbedrohter Mühlen“ eingeweiht werden.

Doch schon bald zeigten sich Grenzen auf. Seine Vorstellungen von einer Erweiterung des Museums und den Aufbau zusätzlicher Original-Mühlen konnte Horst Wrobel in Suhlendorf nicht verwirklichen. Die Suche nach alternativen Standorten begann. In die engere Wahl fielen dabei die Städte Bad Bevensen, Soltau und Braunschweig. Während der laufenden Verhandlungen über einen geeigneten Standort in Riddagshausen bei Braunschweig knüpfte der Landkreis Gifhorn über sein Amt für Wirtschaftsförderung Kontakt zu Horst Wrobel und bot Flächen am Rande der Stadt Gifhorn an, die in kürzester Zeit bebaubar sein würden. Stadt und Landkreis Gifhorn zeigten großes Interesse, auf dem bisherigen Brachland und mit dem zu einem See gestaltbaren Wasserrückhaltebecken das Mühlenmuseum an zu siedeln. In verhältnismäßig kurzer Zeit wurden alle notwendigen Verhandlungen geführt und bis Mitte Dezember 1977 vertraglich geregelt. 1978 begann die Gestaltung des sieben Hektar großen Geländes und der Aufbau des Museums. Horst Wrobel hatte bereits zwei Mühlen erworben: eine Tiroler Wassermühle sowie eine Kellerholländer-Windmühle aus Westorf in Dithmarschen (Schleswig-Holstein), die zuvor im Besitz des Verlegers Axel Springer war. Der Landkreis Gifhorn war Eigentümer einer versetzbaren Bockwindmühle im nahe gelegenen Osloß. Diese drei Mühlen sowie die Ausstellungshalle bildeten die Keimzelle des Gifhorner Mühlenmuseums.

Dass unkonventionelle Schaffenskraft und Zielstrebigkeit nicht nur Freunde und Unterstützer haben, hat auch Familie Wrobel immer wieder zu spüren bekommen. Erfolg bringt auf der einen Seite Bewunderung und Achtung, auf der anderen Seite Neid und Missgunst mit sich. Kritik kann sachlich und förderlich, aber auch unsachlich und persönlich verletzend vorgetragen werden. Die immer wieder geführte Diskussion, ob es sich bei dieser Einrichtung um ein Museum oder eher einen „Mühlenpark“ handelt, erscheint seltsam. Denn: innerhalb der vergangenen 25 Jahre wurde hier der Grundstein gelegt für eine Institution, deren inhaltliche Ausfüllung noch viele Freiräume, geradezu Chancen bietet. Da wären z.B. Möglichkeiten, einige der vorhandenen Mühlen voll betriebsfähig aus zu bauen und unter musealen und pädagogisch wertvollen Gesichtspunkten zu betreiben, andere dafür als Präsentationsebene für das Anliegen der Erforschung und Erhaltung historischer Mühlen außerhalb des Museums zu nutzen. Die Ausstellungshalle hat allemal den Wert einer musealen Einrichtung, auch unter dem Aspekt der Weiterbildung. Warum also nicht das Mühlenmuseum Gifhorn für die zielgerichtete Popularisierung des „Mühlengedankens“ nutzen? Immerhin rund 160.000 Besucher ließen sich jährlich damit erreichen. Kooperationen sind gefragt. Der räumliche Ausbau ist nahezu an seine Grenzen gestoßen, die inhaltliche Ausgestaltung und Weiterentwicklung bietet noch viele Möglichkeiten. - Die Arbeitsgruppe Mühlenstraße in der Mühlenvereinigung Niedersachsen / Bremen e.V. will im Einvernehmen mit der Museumsleitung solche Möglichkeiten zur Erhaltung und Vitalisierung der niedersächsischen Mühlenlandschaft im Rahmen des landesweiten touristischen Projektes “Die Niedersächsische Mühlenstraße”  nutzbar machen.

Das Mühlenmuseum Gifhorn ist zu einem oft unterschätzten Wirtschaftsfaktor geworden. Im Gegensatz zu vielen anderen Museen wird es nach unternehmerischen Gesichtspunkten geführt. Das finanzielle Risiko liegt beim Inhaber, der Familie Wrobel. Einnahmen fließen aus Eintrittsgeldern, Verkauf von Postkarten, Büchern und Andenken sowie der Bewirtung in Backhäusern. Das Mühlenmuseum ist Arbeitgeber für bis zu 25 Personen, ein Teil davon ganzjährig, einige als saisonale Kräfte. In den vergangenen Jahren sind Millionen-Beträge in den Auf- und Ausbau der Anlage geflossen, der größte Teil davon kam der heimischen Wirtschaft zu Gute. Durch Lohn-, Gewerbe- und Grundsteuern sowie Erbbaupachtzinsen (an die Grundeigentümer Stadt und Landkreis) sind in 25 Jahren erhebliche Summen in die öffentlichen Kassen geflossen. Die laufenden Kosten müssen durch den Betrieb erwirtschaftet werden, das Mühlenmuseum erhält hierfür keine öffentlichen Zuschüsse. Kredite für den Aufbau und Unterhalt der Mühlen und Museumsbauten werden durch die privaten Inhaber aufgenommen und getilgt.

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Der KleiekotzerEin Magazin des Mühlenförderverein Lüneburg e.V.