Frühmittelalterliche Mühlsteine der verschollenen Wassermühle
zu Bardowick

Bardowick war vom späten 8. Jahrhundert bis zu seiner Zerstörung durch Heinrich den Löwen 1189 einer der zentralen Orte des Reiches und im 9. Jahrhundert einer der wenigen  Handelsplätze, die Handel mit den östlichen Nachbarvölkern führen durften. In den Jahren 795 und 798 verweilte Karl der Große hier. Schon allein diese Stellung des Ortes und ein dort vermuteter Königshof legt die Anlage einer Wassermühle bereits im frühen Mittelalter nahe. Allerdings lassen sich hierüber in den schriftlichen Überlieferungen keine Spuren finden. Erst 1933/34 beim Bau der Bardowicker Ilmenauschleuse wurden Funde geborgen, die zu dem Schluss führten, damit die Reste einer sehr frühen Wassermühle entdeckt zu haben. Dr. h.c. Franz Krüger, Leiter der vorgeschichtlichen Abteilung des Lüneburger Museums, konnte fünf Mühlsteine und Bruchstücke von anderen sowie ein Stockradgetriebe, wie es für die Übertragung der Wasserkraft auf den  Mahlgang erforderlich ist, bergen. Pfahlgruppen und Holzkonstruktionen mit Zapfenlöchern konnte er zu einer Radkammer zusammenfügen, in der sich ein Wasserrad gedreht haben könnte.
Die verschollene Wassermühle zu Bardowick liegt als Standort Nr. 2 an der Niedersächsischen Mühlenstrasse.
Eine Schautafel beschreibt die Geschichte des Fundes.
Lange galten die meisten der Fundstücke, die Dr.h.c. Franz Krüger 1934 beim Bau der Ilmenauschleuse zu Tage förderte und als Relikte einer frühmittelalterlichen Wassermühle deutete, durch Kriegseinwirkungen im Jahre 1945 als verloren. Es ist einem sehr glücklichem Zufall zu verdanken, dass im Rahmen einer  Dokumentation zur Niedersächsischen Mühlenstrasse zwei der insgesamt fünf von Franz Krüger gefundenen Mühlsteine
( “.....Bruchstücke in großer Menge...” - wie Krüger berichtete -  nicht mitgerechnet ) wieder auftauchten und nunmehr erneut einer wissenschaftlichen Deutung zur Altersbestimmung unterzogen werden können. Es handelt sich um die  Steine Nr. 1 und 4 aus der Feldbuchskizze des Ausgräbers, die ohne Kantenabbrüche oder andere Beschädigungen nahezu unversehrt einer fachlichen Beurteilung zugänglich sind. Die beiden molinologischen Raritäten befinden sich gegenwärtig als Leihgabe des Musreums für das Fürstentum Lüneburg in Bardowick und können bis Oktober d.J. in der Museumsstube des Gildehauses besichtigt werden.

Zeichnerische Darstellung der Mühlsteine 1-4 in
Ansicht und Schnitt (f.Krüger)

Aus Krüger´s Bericht:

Die Funde
Vier ganz oder zur Hälfte erhaltene Mühlsteine. Ein fünfter verblieb an Ort und Stelle und wiurde zu einer Tischplatte hergerichtet. Die Steine 1,2 und 4 bestehen aus Sandstein, 3 aus Basaltlava, deren rheinische Herkunft durch Prof. Wiegers festgestellt ist.Die Durchmesser schwanken zwischen 73 und 91 cm. die Stärken zwischen 4 und 10 cm. Die Steine 1 und 2 haben konvexe Oberflächen, 3 und 4 konkave. der Achsendurchmesser beträgt 10-11 cm. Stein 1 hat vier Auskerbungen für die Mitnehmerklaue (Vierklauer), die übrigen deren zwei (Zweiklauer). Die Mahlflächen sind geschärft gewesen, teilweise abgeschliffen, außerdem zeigten sie zahlreiche kleine Löcher. An Stein 2 ist auf der Rückseite eine Achsenführung aus Stein angearbeitet. Die Bruchstücke zeigen mehr oder weniger dieselben Bearbeitungsspuren wie die Mühlsteine.
..... An Stelle K  fanden sich im Schlick zwei Mühlsteine aus Sandstein übereinander, durch 3 Holzdübel miteinander verbunden....
Hierbei handelt es sich um die Steine 3 und 4 der obigen Skizze.

Mühlstein Nr. 1 - lt. Krüger aus Sandstein (?), Läuferstein mit vier Mitnehmerklauen

Mühlstein Nr. 4 - lt. Krüger ebenfalls aus Sandstein (?) als Zweiklauer

Für die Zeitbestimmung waren geborgene Begleitfunde wie Keramik aus dem 10. Jhdt. von Bedeutung. Eisenteile wie Lanzenspitzen und Äxte lassen sich durch Vergleichsfunde in die Zeit von 800 - 1100 datieren und Hufeisen in karolingische Zeit. So schloß Krüger, dass aufgrund dieser Funddatierungen eine Wassermühle mindestens schon im 10.Jhdt. an diesem Standort betrieben wurde. Da die datierbare Keramik des Fundes im 12. Jhdt. endet, hat Krüger dies als einen Hinweis auf ein gewaltsames Ende der Mühle anläßlich der Zerstörung Bardowicks in 1189 durch Heinrich den Löwen gedeutet.

Das Jahrbuch für Geschichte und Kultur des Mittelrheins und seiner Nachbargebiete, Jg. 1950/51 zeigt eine Typologie: Die Entwicklung der Reibsteine und Mühlsteine (Quelle: Mühlen der Eifel, Bd.I, von Erich Mertes), die eine Zuordnung der Bardowicker Mühlsteine erlaubt:
 

Legende:

1 = Brotlaibiger Reibstein - Neolithikum bis mittlere Hallstattzeit

2 = Bootsförmiger Reibstein - Späthallstattzeit

3 = Napoleonshut - frühe und mittlere Latenezeit

4 = Pendelmühle - frühe und späte Latenezeit

5 = Römische Mühlsteine

6 = Römische Mühlsteine

7 = Mühlsteine aus dem frühen bis hohen Mittelalter

8 = Mühlsteine vom hohen Mittelalter bis in die Neuzeit

Die Bardowicker Mühlsteine lassen sich nach Durchmesser (73 - 91 cm) und Wandstärke (4-10 cm) gut dem Bild Nr.7 - Mühlsteine aus dem frühen bis hohen Mittelalter - der obigen Schautafel zuordnen, auch der Wulst um das Steinauge des halben Mühlsteines Nr. 2 aus Krügers Skizze gilt als Merkmal frühmittelalterlicher Mühlsteine ( F.Hörter: Getreidereiben und Mühlsteine aus der Eifel). Damit kann die Krüger´sche Datierung nach Begleitfunden als bestätigt angesehen werden. Unbeantwortet bleibt die Frage, welchem Zweck die Verbindung zweier Mühlsteine mit drei Holzdübeln - Stein Nr. 3 und 4 - (siehe Foto Stein Nr. 4 und Text “Krügers Bericht”) diente. Möglich erscheint hier auch eine Zweitverwendung der abgenutzten Steine.

Quellen: Infotafel: D.Gehrke: “Die verschollenen Wassermühle zu Bardowick”
Fridolin Hörter: “Getreidereiben und Mühlsteine aus der Eifel”
Erich Mertes: “Mühlen der Eifel, Band I”
 

Der KleiekotzerEin Magazin des Mühlenförderverein Lüneburg e.V.